Suchttherapie
Stationär, ambulant oder Tagesklinik?
Während der Gespräche in der Suchtberatungsstelle wägen Hilfesuchende und Sozialarbeitende gemeinsam die Möglichkeiten ab, um die beste Hilfe für die betroffene Person zu finden. Manche Hilfesuchenden sind arbeitslos und haben jedwede Tagesstruktur durch die Suchterkrankung verloren. Andere Menschen „funktionieren“ trotz ihrer Abhängigkeit, gehen arbeiten, machen Sport und haben ein gutes soziales Umfeld.
Vor dem Hintergrund der verschiedenen Lebenswelten wurden verschiedene Therapieformen entwickelt, die im Folgenden kurz dargestellt werden. Hauptsächlich unterscheiden wir drei verschiedene Formen. Die Realität kennt aber lokal sehr unterschiedliche Angebote. Die Suchthilfe ist ein sehr weites und vielfältiges Feld, in dem jeder eine passende Möglichkeit finden wird, um sich helfen zu lassen.
Im Vorfeld all dieser Therapie-Formen wird dringend eine medizinische Entgiftung empfohlen. Oft wird diese ca. 10-tägige stationäre Behandlung direkt vor den Start der Suchttherapie gelegt, sodass ein fließender Übergang ermöglicht wird.

Stationäre Entwöhnungstherapie
Stationäre Entwöhnungstherapien haben oft eine Dauer von ca. 3 – 4 Monaten. Während dieser Zeit ist man in einer Einrichtung untergebracht. Meistens findet an drei Tagen Gruppentherapie statt, dazu gibt es viele verschiedene Angebote. Musiktherapie, Meditation, Sport, Entspannungsübungen und viele andere Beschäftigungen helfen den Menschen dabei, eine Tagesstruktur aufzubauen, in der Alkohol und andere Drogen keine Rolle spielen. Außerdem essen die Patienten 3‑mal am Tag gemeinsam, machen Ausflüge und feiern Feste. Dies alles bereitet die Menschen auf ein abstinentes Leben nach der geschützten Zeit in der Einrichtung vor.
Die Philosophie der verschiedenen Therapieeinrichtungen unterscheidet sich sehr, sodass eigentlich für jeden Menschen etwas Passendes zu finden ist: In manchen Einrichtungen bekommen die Patienten Arbeitsdienste zugewiesen und kümmern sich zum Beispiel um die Gartenarbeit oder helfen in der Küche. In anderen Einrichtungen gibt es keine Arbeitsdienste. Das Konzept ist dort vergleichbar mit dem Aufenthalt in einem Kurort.
Die Zielgruppe für stationäre Therapien ist weit: Überarbeitete Menschen können dort lernen, die Zügel wieder locker zu lassen – Menschen ohne Tagesstruktur können lernen, den Tag so zu gestalten, dass die Gefahren für den Konsum weniger werden. In stationären Einrichtungen haben viele Menschen ihre Liebe für die Malerei (wieder-)entdeckt, das Töpfern begonnen oder sind gar zum Leistungssportler mutiert.
Viele Menschen haben Angst vor einer „Langzeittherapie“ – doch das ist auch mehr als verständlich, weil Menschen häufig Angst vor dem Unbekannten haben. Dennoch ist für viele genau dieser Schritt ins Ungewisse sehr heilsam – weil er meistens eine Verbesserung und den ersten Schritt in die zufriedene Abstinenz bedeutet.
Die stationäre Therapie ist eine deutliche Zäsur im Leben eines Menschen und kann gut dazu beitragen, ein „Vorher“ und ein „Nachher“ zu konstruieren. Dieses „Nachher“ wird umso besser erfolgreicher sein, je nachhaltiger sich der betroffene Mensch um eine verstetigte Hilfe über die Therapie hinaus bemüht, z.B. in Form einer Selbsthilfegruppe, die er gerne besucht.
Im Interview mit einer Psychotherapeutin, die lange in einer stationären Behandlungseinrichtung gearbeitet hat, erörtern wir die wichtigsten Fragen im Zusammenhang einer stationären Entwöhnungs-Therapie.
Tagesklinik
Der Aufenthalt in einer Tagesklinik dauert meistens ebenso lange, wie der in einer stationären Therapie. Auch der Tagesablauf ist ähnlich. Der Unterschied ist, dass die Patienten abends zum Schlafen nachhause gehen. Dies bedeutet ein höheres Risiko für Rückfälle im Vergleich zu einer stationären Therapie, weil der Schutz der „Käseglocke“ hier nicht gegeben ist. Es hat aber gleichzeitig auch den Vorteil, dass die Patienten von Anfang an mit den „Gefahren“ des alltäglichen Lebens konfrontiert werden.

In den meisten Tageskliniken wird morgens ein Alkoholtest durchführt, um sicherzugehen, dass alle nüchtern und aufnahmefähig in die Einrichtung zurückgekehrt sind. Hier der Link zu einem Podcast, in dem darüber informiert wird, welche Voraussetzungen man braucht, um eine Tagesklinik besuchen zu können.
Stationäre Therapien werden gerne mit einer Kur oder gar einem Urlaub verglichen. Im Gegensatz dazu fühlen sich Tageskliniken eher wie Arbeit an: Denn der Aufenthalt in einer Tagesklinik ist ziemlich durchgetaktet – ganz in Gegensatz zur stationären Therapie, wo auch mal längere Pausen zwischen den Anwendungen im Therapieplan vorgesehen sind, in denen die Patienten auf ihren Zimmern ruhen oder spazieren gehen können.
Ambulante Suchttherapie
Die ambulante Therapie ist sehr weitmaschig. Sie dauert mindestens 6 Monate und kann dann jeweils auf 12 oder sogar 18 Monate verlängert werden.
In der ambulanten Therapie gibt es zwei Elemente:
1. Die wöchentlichen Gruppentherapiesitzungen, angeleitet durch Suchthelfende
2. Einmal im Monat eine Einzelstunde mit der oder dem Suchthelfenden
Es wird dringend empfohlen, schon während der Therapie eine Selbsthilfegruppe zu besuchen, um wenigstens zwei Termine pro Woche zu haben, in denen Schwierigkeiten besprochen werden können. Ambulante Therapien sind für Menschen sinnvoll, die in einem sehr stabilen sozialen Umfeld leben. Sie fordern eine hohe Resilienz von den Betroffenen, weil diese sich selbst melden müssen, wenn die Sucht zu stark wird.

Nachsorge
Nachsorge bedeutet, dass Menschen nach einer stationären oder teilstationären Therapie in eine ambulante Therapie-Form wechseln, um für ein weiteres halbes oder ganzes Jahr am Thema weiterzuarbeiten. Nachsorgegruppen und ambulante Gruppen werden sehr häufig zusammengelegt. In diesen Gruppen finden sich also sowohl Menschen, die nur eine ambulante Therapie machen, als auch Menschen, die nach einer stationären Therapie für 6 Monate bis 1 Jahr zur Nachsorge gehen. Die Modalitäten entsprechen denen der ambulanten Therapie.
Die Nachsorge hilft den betroffenen Menschen dabei, in einen strukturierten Alltag zu finden. Für viele Menschen bedeutet die Rückkehr in den Job Stress, denn im Vergleich zur stationären Therapie sind nun nicht mehr rund um die Uhr Menschen anwesend, die die spezifische Problematik von Sucht begriffen haben. Um gut zurück ins Leben zu finden, hilft es den Betroffenen, ihre Suchtthemen in einer Nachsorgeeinrichtung stetig zu reflektieren. Die gleiche Aufgabe übernehmen Selbsthilfegruppen, auch über die Zeit der Nachsorge hinaus.
Benjamin von Stuckrad-Barre und Kurt Krömer erzählen in diesem Video neben vielen anderen Dingen auch davon, dass sie abstinente suchtkranke Menschen sind: